Der Wohlfahrtsstaat auf Abwegen
05. Mai 2021
Zur Errungenschaft einer modernen Zivilgesellschaft zählt sicherlich auch die Bereitschaft, in Not geratenen Menschen zu helfen. Dieselbe beruht aber auch auf der sozialen Verantwortung, anderen Menschen nicht unnötig zur Last zu fallen. Leider hat der moderne Wohlfahrtsstaat diese Grenzen schon längst überschritten. Der Ausbau der Wohlfahrt und die damit verbundenen sozialen Leistungen belasten den Staat, verlangen nach Steuern, blähen die Bürokratie auf und führen Sozialhilfeempfänger in sozialstaatliche Abhängigkeit. Ja, sie entfremden den Menschen, indem sie seine Selbstverantwortung lähmen. In einer Welt, in der über 700 Millionen Menschen noch immer hungern, handelt es sich bei Zuwendungen des Wohlfahrtsstaates nicht um die Sicherung eines Existenzminimums, es geht nicht mehr um Armutsbekämpfung, sondern es handelt sich bei den Zuwendungen um einen Einkommensersatz. Sehr oft stehen nicht Grundbedürfnisse, wie Obdach, Nahrungsmittel und Kleidung im Vordergrund. Es geht vielmehr um den Anspruch, sich Güter und Dienste vom Staat auf Kosten anderer oder auf Kosten künftiger Generationen geben zu lassen und damit Zuwendungen nicht zum Zweck der Armutsbekämpfung, sondern mit dem Ziel materieller Gleichheit umzusetzen. Ein Widerspruch in sich, was den Sozialstaat doch eher zu einem Instrument macht, eine materielle Angleichung zu bewerkstelligen, wie dies Pierre Bessard, Schweizer Publizist und Ökonom, in seinem Artikel vom 28.12.2020 in der NZZ bemerkte. In einer vielfältigen Zivilgesellschaft gibt es zwangsläufig Menschen, die auch in einkommensschwachen Branchen arbeiten, dies aus vielfältigen Gründen: Sei es um mehr Zeit als Freizeit zu geniessen oder aufgrund einer Lebenshaltung mit dem Attribut einer „Work-Life- Balance“. In der Sozialstatistik gelten diese Menschen als „arm“ und unterstützungswürdig, weil sie sich im unteren Einkommenssegment bewegen. Auch Studenten, die sich in einem Lebensabschnitt befinden, indem materieller Verzicht gefordert ist, um später von einer höheren Bildung zu profitieren, dürfen nicht als arm oder bedürftig gesehen werden. Was der Sache sicherlich nicht dienlich ist, ist die Tatsache, dass die Definition der Armut und Bedürftigkeit laufend ausgeweitet wird. Die Politik korrumpiert und erkauft sich Stimmen mittels Ausweitung ihrer Klientel. Je mehr wir Bürger als arm und bedürftig definieren, desto mehr Steuergelder kann die Politik verschenken. Es findet eine Armutsinflation statt, die der Staat geschickt nutzt, um an die Kontrolle über die Menschen zu gelangen. Der britische Sozialpolitiker Dennis Snower bringt es auf den Punkt: "Der Wohlfahrtsstaat ist in die Hände der Mittelklasse gefallen."
Autor: Ulrich Hoch
"Es liegt mir am Herzen, mich für eine liberale freiheitliche Zivilgesellschaft einzusetzen, gegen eine Mythisierung einer unbegrenzten Demokratie, die sich in alle Belangen des Menschen einmischt und sich damit als grösster Feind der individuellen Freiheit zeigt."